Die andere Seite meines Lebens und Aktivismus
Wenn ich Mitte Oktober nach Berlin fahre, verliere ich nicht nur meine Notwohnung sowie den einzigsten Rückzugsort, sondern vielleicht auch meine Katze Minimi. Ich weiß heute nicht mal, wo ich nach der langen Aktionsphase wohnen könnte. Aber ich kann trotzdem nicht einfach so normal weiterleben, als wäre nichts. Auch, wenn ich keine Eltern, Oma/Opas und Partnerin habe und somit teils auf mich gestellt bin.
Wir sind in einer verschlimmerten Klimakrise – die selbst bei uns immer mehr Leid verursacht, wir haben nur noch 2-3 Jahre Zeit, die Klimapolitik krass zu verändern. Denn schon im Jahre 2026 erreichen wir eine Erderwärmung von 1,5 Grad, während die deutsche Politik Deutschland bis 2045 klimaneutral machen will – auf Basis des Pariser Klimaabkommens die Erderwärmung auf max 1,5 bis 2,0 Grad einzugrenzen. 2030 könnten wir schon 4 von 15 Klima-Kipppunkte erreicht haben. Wir steuern gerade auf eine 3-4 Grad wärmere Welt zu. Mit tödlichen Konsequenzen für uns alle, auch für die heutige (junge) Generation in Deutschland.
Aus diesem Grund kann ich nicht anders. Ich muss meine moralische Pflicht als mutige und entschlossene Aktivistin nutzen, um ab Oktober in den täglichen friedlichen Widerstand zu gehen. Ich werde auch zu den Menschen gehören, die mutig neue Wege gehen werden, auch selbst dann, wenn man für eine längere Zeit ins Gewahrsam kommt. Selbst dann, wenn es für mich als Transfrau sehr schmerzt. Ich gehe diesen Weg, da ich genau weiß, dass ich einen wichtigen Beitrag beitragen kann.
Und mich schreckt echt nichts mehr ab, in puncto friedlichen Widerstand. Mir liegt schon ein Strafbefehl vor und locker 12 weitere Verfahren laufen noch gegen mich und ich rechne alleine von der letzten Berlin-Phase von Juni/Juli noch mit mindestens 12 weiteren Verfahren. Trotzdem gehe ich ab Oktober wieder in Aktion.
Denn meine einzige Priorität ist es, sich für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen einzusetzen und somit sich der zerstörenden Politik im Weg zu stellen. Es muss endlich die Ignoranz der Politik und Teile der Gesellschaft gebrochen werden. Und ich weiß, bis jetzt hat die Letzte Generation einige Teilerfolge feiern können und es ist mit persönlichen Opfer möglich, weitere Erfolge zu erreichen.
Aber ich bin ehrlich. Ich habe nicht wie die meisten Aktivisties bei der Letzten Generation eine Familie, Partner:in und einige Freund:innen. Ich verfüge nur über ein sehr dünnes Freundinnen-Netzwerk in Heidelberg und in der Letzten Generation mit ich vielleicht mit nur paar wenigen bisschen befreundet. Ich glaube auch, dass scheint vielen nicht klar zu sein, dass es Menschen wie mich gibt, die keine Mutter, Vater, Opa und Oma haben. Ich habe einfach keinen sicheren Rückzugsort, entsprechend hoffe ich, dass man mich nach der Aktionsphase auffängt.
Das tolle aber ist, dass ich zwischendurch immer wieder besondere Momente erlebe. Wie beim Mobilisieren mit anderen Bürger:innen, welche merken, wie sehr ich für den friedlichen Widerstand brenne und ich mich schon sehr freue, einen Beitrag ab Oktober leisten zu können und sowas wie in Januar/Februar sowie April nicht mehr mitmachen will, dass ich wegen äußere Umstände mich nicht beteiligen könnte. Meine Wille u.a. in Berlin beim Widerstand dabei zu sein, ist halt viel zu groß.
Es gibt aber auch schöne Erkenntnisse in meinem Leben. Mental bin ich in einer Ebene unterwegs, wo ich die meisten kleine Lebensprobleme als unwichtig empfinde. Ich bereite mich nämlich intensiv auf schwierige Aktionsphasen vor, wo meine mentalen Fähigkeiten und Strategien für mich sehr wichtig werden. Und Teile der Yoga-Übungen habe ich schon auswendig, was gut ist, wenn ich mal mehrere Tage in Polizeigewahrsam bin.
Wenn ihr wüsstet, was ich im weiteren Verlauf der neuen Aktionsphase ab Oktober in Berlin vorhabe bzw. werdet ihr verstehen, wieso ich mental schon total woanders unterwegs bin. Ich habe eine Entscheidung getroffen, die für mich als Transfrau nicht einfach wird, aber ich will es unbedingt durchziehen. Dazu mehr, wenn ich es so weit ist.
Ich merke auch, ich ändere mich aktuell sehr krass. Ruhe ist für mich immer wichtiger geworden und selbst ich rede nicht mehr so viel, gibt Momente, wo ich einfach nur Ruhe haben will. Meine Ausstrahlung ist in den letzten Wochen immer selbstbewusster und achtsamer geworden. Ungewissheiten stören mich nicht mehr, obwohl ich als Person mit autistischen Zügen immer wissen wollte, was auf mich zukommt. Es geht halt um eine wichtigere Sache, als nur um mich.
Ich habe nur noch drei Wochen in Heidelberg, dann geht es nach Berlin. Diese Zeit werde ich nutzen, um noch paar Menschen nochmal zu sehen. Ich hoffe, nach der Aktionsphase werde ich in Heidelberg liebe Menschen finden, die mich aufnehmen oder zumindest Aktivisties der Letzten Generation aus anderen Lokalgruppen. Und hoffentlich muss ich meine Katze Minimi nicht dauerhaft abgeben. Aber ich gehe trotzdem diesen Pfad, ich kann einfach nicht anders!